Georg von Oertzen                Kaiser Wilhelm. Kaiser Friedrich

 

 

 

Noch Kronprinz Friedrich Wilhelm

 

Zwei Meere dort sind Nachbarn dem Altane,

Der Deutschlands Kranken hegt in seinem Ringe.

Horch: Eines, kosend mit des Windes Schwinge,

Daß es die Luft Balsam zu werden mahne.

 

Das andere? Als ob der Held es ahne,

Welch Lied so bang dies Meer der Sorge singe,

So lauscht er jetzt, von wem es botschaft bringe

Und Wege sich bis ihm in’s Herz her bahne?

 

Er fühlts: Im Branden jenes Wogenschlages

Durchdringt das Zeugniß, wie sein Volk sich gräme,

Die lange Nacht des heimathsfernen Tages.

 

Dies Reich wird seins! Ob er das Scepter nehme,

Das künftge, fern dem Bann des Sarkophages,

Ob, staubentrückt, im Thränendiademe.

 

 

Seht doch, er ist da.

 

Wo wählt das Herz den Ort der Huldigungen?

Es wählt ihn nicht, es jauchzt, wo es ihn findet.

Ein Fenster blinkt, ein seidner Vorhang schwindet

Und Wilhelm steht von seinem Volk umschlungen.

 

Mild lächelt er den Alten, lacht der Jungen

Im Siegerkranz, den ihr Gesang ihm windet,

Und ahnt, was ihn mit diesen ewig bindet,

Wenn lang dereinst ihr letztes Hoch verklungen.

 

Und täglich wächst des treuen Schwarmes Welle,

Der Liebesfluth zu eng wird ihr Gestade...

Nur heut – o sagt, was trübt so lautre Quelle?

 

Wie Schatten ziehn vieltausende die Pfade,

Bis Kaiser Wilhelm grüßt aus selger Helle:

Dank, Dank auch dir, Reichsvaters Wachtparade!

 

 

Kaiser Wilhelm scheidet.

 

Nun steht dies Herz, für das die unsern schlagen,

Der Blick erlosch, aus dem wir Licht empfingen,

Dieweil, umstrahlt von neunzig Jahresringen,

Er ruht in Gott, Gott Deutschlands Dank zu sagen.

 

Wo wird sein Volk zur Gruft den Kaiser tragen?

Strom Alarichs, wo gehst du Lieder singen

Und wo fortan wird der Kyffhäuser klingen

Im Wiederhall von Weißbarts Heldentagen?

 

Hier, Vater, hör’s: Schon wurde, dich zu grüßen,

Das Rufen laut in deines Berges Schreinen

Von Stimmen, die selbst dieses Leid versüßen.

 

Und, wer ihm lauscht, wird dich noch waltend meinen:

Vom Todesschlaf zu deiner Mutter Füßen

Erwacht bist du im Lebensgrund der Deinen.

 

 

Allein

 

„Der Kaiser hat den Kanzler heut empfangen“.

- Was schweigt die Meldung, die wir oft vernommen?

Und spräch doch wahr: Der Kanzler ist gekommen,

Bleich selber er, wie des Gebieters Wangen.

 

Ist das der Blick aus dem die Funken sprangen,

Durch deren Gluth des Schicksals Essen glommen?

Zum ersten Mal von tiefem Weh beklommen,

Trüb läßt er ihn an seinem Kaiser hangen.

 

Denn der ist todt, zog fort, hat ihn verlassen,

Der treue Herr den Treuesten der Seinen,

Und Trauer füllt des Doppelruhmes Gassen.

 

- Schmerz, Einsamkeit, Ihr dürft ihn nicht versteinen:

Dies Haupt muß sorgen, dieser Arm noch fassen.

Er fühlt’s – und geht, zu wirken und zu weinen.

 

 

Wie lautet sein Lied

 

Von Deutschlands Hort, vom heimgegangnen Kaiser

Was rühmen wir, was werden Künftge singen?

Der Wagnisse gewaltiges Gelingen?

im Palmendom die Pracht der Lorbeerreiser?

 

Die Welt erfuhr, daß nie ein König weiser,

So freudig Keiner, selbst sich zu bezwingen,

So stark, das Herz auch Feinden abzuringen.

Sie lieben ihn, sie sagen es nur leiser.

 

Und doch! Der Sang von dem die Herzen beben,

Daß ewig nun sein Echo sich erneue,

Ist heiliger. Ihn athmete dies Leben.

 

Ihn sprach der Blick aus dieser Augen Bläue,

Sprach, hört es: Pflicht! Ihr ganz, nur ihr ergeben!

- Und nie verhallt dies Hohelied der Treue.

 

 

Beweint und begrüßt

 

Der Ewge rief und fromm herab vom Throne

Zur Ruhe ging der treue Held sich betten;

Gelöst von ihm entsanken goldne Ketten

Und horch: Sein Amt, der Vater schickt’s dem Sohne.

 

Der aber sieht vor Thränen nicht die Krone,

Sieht nur daheim zwiefach verwaiste Stätten

Und, voll der Kraft, sein Leben zu verwetten,

Gewinnt sein Herz die  Hoffnung sich zum Lohne.

 

„Der Kaiser kommt, kehrt wieder, kommt noch heute!“

So dankt, so naht die Liebe seinen Pfaden,

Sie, deren Flehn der Nacht entrang die Beute.

 

- Fremdling, durch Gunst, durch Abgunst hergeladen,

im Gruße Deutschlands höre dies Geläute:

Heil unserm Fritz, Martyr von Gottes Gnaden!

 

 

Im Zeichen des Sieges

 

Das Scepter heut ist  stählern gleich dem Schwerte,

Sein Anwart lernt auf Schlachtenweisthum sinnen.

Drum gehn im Purpur Samariterinnen

Und tilgen fromm die Spur der Siegesfährte.

 

Das Kreuz der Hülfe, die dem Unheil wehrte,

Die Eine hebt’s der edlen Kaiserinnen.

Die Andere? ihr Weinen floß nach innen,

Auf daß ihr Held des Lächelns nie entbehrte.

 

Wie wenn sie heut schon ewge Kronen trügen,

Ausgeht ein Glanz von diesen Lichtgestalten

Und Ehrfurcht liest in ihren Dulderzügen.

 

Die unsrer Liebe Schwesteramt verwalten,

Laß, Heiland, ihres Opfers dir genügen!

- Dies ist’s, wofür sich Deutschlands Hände falten.

 

 

Vorbildlich

 

Den  bangen Puls im Sterbeglockentone

Vernimm, mein Volk, aus aller Völker Landen,

Vom Staunen fühlt, von Ehrfurcht dich umstanden,

Doch lächele dem Wort vom Götterhohne.

 

Wilhelm und Fritz, - der Vater lebt im Sohne –

In deines Herzens Wundertiefen fanden,

Ihr eigenes wiegt mehr, denn ihre Krone.

 

Doch solchen Zween, die über zahllos mindern

erhöht, bevor am Menschen wir verzagen,

Nicht will der Geist das Loos des Staubes lindern.

 

Er weihte sie, den Kampf  ihm anzusagen

Und leuchtend uns erschrocknen Erdenkindern

Hoch das Panier der Menschheit vorzutragen.

 

 

Abend um Mittag

 

Das Königtum der Erden ihm zur Seiten,

Empfindend, wie Alldeutschland hier sich schaare,

Tritt Kronprinz Wilhelm herwärts von der Bahre,

Den todten Ahn und Kaiser zu geleiten.

 

Tritt her in Glanz, den Friedrichs Augen breiten

Um seines Lieblings jugendblonde Haare,

Tritt her allein, daß Ehrfurcht fromm erfahre,

Wir sehn im Sohn den Vater vor uns schreiten.

 

Und das Jahrhundert ruht in dieser Stunde.

Sein Herrscher winkt auch ihm zum Frieden eben

Und Frage hängt am stummen Schicksalsmunde.

 

Da hebt sich hoch Er, den uns Gott gegeben,

Der Sieche mehr noch Held, denn der Gesunde:

... Heil, Friedrich, Heil! Du hoffst und wir, wir leben.

 

 

Das letzte Commando

 

Nicht Euch! Ja wohl: Aufrichtet Eure Seelen,

Ihr Generals, Hauptleute, Grenadiere,

Auf, trotz dem Flor umhüllter Siegsparniere,

Die flüsternd doch von Ihm und Euch erzählen:

 

Von Euch, da unter Kaiser Wilms Befehlen

Die Zeit Ihr lehret, wie sie vormaschiere,

Von Ihm, der Euer Held war und der ihre,

Den Lieb und Dank zum Herrschervorbild wählen.

 

Der Kamerad, der König, der Vertraute.

- Zum letzten Mal Ihm folget Ihr hioenieden,

So dumpfen Tritts, als dröhnten Klagelaute –

 

Und tragt das Weh und segnet Ihm den Frieden.

Achtung! Wenn der Soldatenmorgen graute,

Erlebt ihr’s, daß der Kaiser nicht geschieden.

 

 

Der Cherub der Chronika

 

Der Genius, der, athmend nur im Schauen,

Das Leben sieht Geschick der Menschheit werden,

Gewahrt den Gram in allen Volksgeberden,

Fühlt arm an Licht der Zukunft Morgen grauen.

 

Der Kaiser ging und, die am Rande bauen,

wie halben Seins nur weilen sie auf Erden;

Erinnerung ist über unsern Herden

Die Trösterin, der wir das Herz vertrauen.

 

Und er, der Geist, den Gott berief, zu schreiben,

Daß, lesend, wir ihm That diktieren lernen,

Er läßt den Stift auf Wilhelms Blatt noch bleiben.

 

Er deutet es umflorten Augensternen,

Um spät, voll Heimweh, weil die Jahre treiben,

Vom Bilde sich des Lieblings zu entfernen.

 

 

Voran mit Gott

 

Vom Brenner her durch’s Herz der Heimathsgaue

Vorbei dem Gruß der Sachsen und der Franken

Wer überholt die sehenden Gedanken,

Den Bart bereift und naß vom Wimpernthaue?

 

Der Kaiser Fritz sprach: Herr, auf den ich baue

Für dieses Haupt, das du gekrönt dem Kranken,

Dies Volk, dem schwarz die Flaggen niedersanken,

Gieb einen Strahl aus offnem Himmelsblaue!

 

Die Zukunft wehrt verschlossnen Buches Lesung,

Doch: Ewiger, gesund zu sein, ich wag es!

Dein Athem salbt die Brust mir mit Genesung.

 

Deutschland, der Liebe Trauerflöre trag es,

Bist du, mein Gott, kraft deiner Reichsverwesung

Uns schauen lehrst die Sonnen unsres Tages.